Liebe Leserin, lieber Leser! Liebe Gemeinde!

Ich grüße Sie alle und Euch alle ganz herzlich am Sonntag Judika mit einem Wort Jesu aus der Bergpredigt, das zugleich das Thema unseres Gottesdienstes umreißt: „Welche Eltern würden ihren Kindern Steine geben, wenn sie um Brot bitten?! Und welche Eltern würden ihren Kindern eine Schlange geben, wenn sie um Fisch bitten?!“ (Matthäus 7, 9f.)

Pädagogen raten dazu, mit den Kindern über ihre Fragen und Probleme zu sprechen, sie mit ihren heimlichen und unheimlichen Ängsten niemals allein zu lassen. Kinder brauchen unsere Hilfe, um zum Beispiel die düsteren Nachrichten von einem drohenden Krieg einordnen und verarbeiten zu können. „Das verstehst du noch nicht, dafür bist du noch zu jung!“ – Solche Sätze müssen wir aus unserem Wortschatz streichen! Unseren Kindern „Brot statt Steine“ geben heißt: Wir sollen uns vor den Fragen unserer Kinder nicht verstecken, sondern gemeinsam Antworten entdecken. Offen darüber reden, dass es das Böse in unserer Welt gibt – angefangen beim Streit zwischen Kindern, den Konflikten in Nachbarschaft, in Schule und Beruf – und eben auch das ganz Schlimme zwischen Regierungen und Völkern. Wichtig ist, dass unsere Kinder das Gefühl haben, dass wir immer für sie da sind.

Auch ein gemeinsames Gebet kann durchaus ein Gesprächsangebot sein. Weil Beten das Vertrauen in den stärkt, der das Gute und den Frieden will.

Dass in der Kindererziehung auch der negative Aspekt greifen kann, dass also Eltern ihren Kindern „Steine statt Brot“ geben, erleben wir zum Beispiel dort, wo sie das Leben ihrer Kinder bereits in jungen Jahren mit Terminen völlig verplanen und sie so auf dem Altar der Leistung und des Erfolgs rücksichtslos opfern.

In der Predigt werden wir am Beispiel der alttestamentlichen Erzählung von „Isaaks Opferung“ über solche Mechanismen nachzudenken haben.

Ich wünsche uns allen einen gesegneten Sonntag.

(Wir lesen, singen, summen oder sprechen:)

Lied freiTöne 200: Weise uns den Weg (Text: Eugen Eckert / Melodie: Joachim Raabe)

1) Weise uns den Weg, Gott, geh mit! Begleite du uns, Gott, Schritt für Schritt.
Wo wir stolpern, straucheln, zagen, wo uns Angst lähmt, zu versagen: Weise uns den Weg, Gott, geh mit.

2) Weise uns den Weg, Gott, geh mit! Behüte du uns, Gott, Schritt für Schritt.
Wo wir zweifeln, hadern, ringen, wo wir nichts zustande bringen. Weise uns den Weg, Gott, geh mit.

3) Weise uns den Weg, Gott, geh mit! Beflügle du uns, Gott, Schritt für Schritt.
Wo wir suchen, forschen, fragen, wo wir Misserfolg ertragen. Weise uns den Weg, Gott, geh mit.

4) Weise uns den Weg, Gott, geh mit! Ermutige uns, Gott, Schritt für Schritt. Lass in deinem Licht uns gehen, lass uns deine Spuren sehen. Weise uns den Weg, Gott, geh mit.

Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Amen.

Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat,

der Bund und Treue hält ewiglich und der niemals loslässt das Werk seiner Hände.

Psalm-Übertragung zu Psalm 118 (EG 780 / S. 1204)

Gott ist die Macht in meiner Verzweiflung. Gott ist das Lied auf meinen stummen Lippen. Gott macht meine Seele heil. Deshalb werde ich nicht sterben, sondern leben und davon erzählen, was Gott an mir tut. Lobsingt Gott, erhebt Gottes Namen!

Ehr‘ sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Sündenbekenntnis

Kinder können so unbeschwert lachen und fröhlich sein. Wie schön wäre es, wenn wir das auch so ohne weiteres könnten!

(Wir lesen, singen, summen oder sprechen:)

Gib uns Ohren, die hören, und Augen, die sehn, und ein weites Herz, andre zu verstehn. Gott, gib und Mut, unsre Wege zu gehn.*

Kinder können sich nach einem Streit ganz schnell wieder versöhnen – ohne Wenn und Aber. Wie gut wäre es, wenn dies auch uns gelänge!

(Wir lesen, singen, summen oder sprechen:)

Gib uns Ohren, die hören, und Augen, die sehn, und ein weites Herz, andre zu verstehn. Gott, gib und Mut, unsre Wege zu gehn.*

Kinder können ohne Vorbehalte glauben, hoffen, vertrauen und lieben. Wie tröstlich wäre es, wenn das immer so bliebe!

(Wir lesen, singen, summen oder sprechen:)

Gib uns Ohren, die hören, und Augen, die sehn, und ein weites Herz, andre zu verstehn. Gott, gib und Mut, unsre Wege zu gehn.*

Kinder! „Für Menschen wie sie“, sagt Jesus, „steht Gottes neue Welt offen.“

(Wir lesen, singen, summen oder sprechen:)

Gib uns Ohren, die hören, und Augen, die sehn, und ein weites Herz, andre zu verstehn. Gott, gib und Mut, unsre Wege zu gehn.*

[*Kanon von Bernd Schlaudt; aus: Liederbuch für die Jugend Nr. 534]

Gnadenwort

Gott handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missetat. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.

Kollektengebet

Herr Jesus Christus, führe du selbst uns hinein in die Freiheit, die allein bei dir gilt. Beschenke uns mit einer Freude, die größer ist als alle irdischen Werte. Mit dir beginnt das Reich Gottes. Du siehst vor allem unsere Kinder in diesem Anbruch des Gottesreiches. Lehre uns dein Wort anzunehmen wie die Kinder – als gute und gnädige Gabe. Rufe uns immer wieder in den Ernst und in die Freude der Nachfolge. Und leite uns nicht zuletzt an zum Dank, der dich aufnimmt mitten in unser Leben. Amen.

Schriftlesung / Evangelium: Markus 10, 13 – 16

Einige Eltern brachten ihre Kinder zu Jesus, damit er sie segnete. Die Jünger aber wollten sie wegschicken. Als Jesus das merkte, wurde er zornig: „Lasst die Kinder zu mir kommen, und haltet sie nicht zurück, denn für Menschen wie sie ist Gottes neue Welt bestimmt. Hört, was ich euch sage: ‚Wer sich die neue Welt Gottes nicht wie ein Kind schenken lässt, dem bleibt sie verschlossen.‘“ Dann nahm er die Kinder in seine Arme, legte ihnen die Hände auf und segnete sie.  

Jesus Christus spricht: „Wer ein Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf!“ Amen.

Glaubensbekenntnis (Verfasser*in unbekannt)

Guter Gott, du hast die Welt geschaffen: alles, was wir sehen, den Himmel und die Erde und uns selbst. Du hast alle Menschen lieb: kleine und große, kranke und gesunde, Menschen aller Sprachen und Hautfarben und in den verschiedenen Religionen. Du gibst uns, was wir zum Leben brauchen. Deshalb sollen auch wir einander helfen, wir sollen teilen, was du uns schenkst, und in Frieden miteinander leben.

Jesus ist unser Herr und Bruder. Er hat die Menschen geliebt, wie du uns liebst. Manche wollten seine Worte nicht hören. Mit Kranken und Armen mochten sie nichts zu tun haben. Sie haben Jesus beschimpft, verletzt und am Ende getötet. Für sie, für uns und für alle Menschen ist er gestorben – damit wir noch einmal neu beginnen und seinen Weg gehen können.

Gott hat ihm und auch uns neues Leben geschenkt. Das kann uns niemand mehr wegnehmen. Jesus ist heute und immer bei uns. Wenn wir an ihn denken, wenn wir einander beistehen, ist er in unserer Mitte. Er hilft uns, gut miteinander zu leben. Er will uns mit seiner Liebe anstecken, die ohne Ende ist. Amen.

(Wir lesen, singen, summen oder sprechen:)

Lied: EG 606, 1 + 2 (Lasst die Kinder zu mir kommen)

1. Lasst die Kinder zu mir kommen, kommt mit allen Kindern. Lasst die Kinder zu mir kommen, niemand soll sie hindern. Denn es werden in mein Reich Kinder aufgenommen, lasst sie alle gern herein, Groß und Klein darf kommen!

2. Lasst die Menschen zu mir kommen her auf allen Wegen. Lasst die Menschen zu mir kommen, wehrt euch nicht dagegen. Denn es werden in mein Reich alle aufgenommen, wenn sie einem Kinde gleich voll Vertrauen kommen.

Predigt: 1. Mose 22, 1 – 13

Die Freundlichkeit unsres Herrn Jesus Christus, die mütterliche und väterliche Liebe unseres Gottes und die verbindende, Gemeinschaft stiftende Kraft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Ihr Lieben!

Vor einiger Zeit war unter der Überschrift: „Organhandel mit Waisenkindern“ in der Presse die folgende Meldung zu lesen: „Ägyptischer Staatsanwalt ermittelt gegen Waisenhaus. Die Betreiber sollen mit den Organen der Schützlinge gehandelt haben. Die Abgeordneten waren auf den Fall aufmerksam geworden, nachdem in den letzten drei Monaten 25 der 30 in dem Waisenhaus lebenden Kinder gestorben waren. Angeblich wurden sie für Summen von ungerechnet zwischen 5000 und 15000 Euro an private Krankenhäuser geliefert, die dann ihre Körper für reiche Patienten ausschlachteten.“

Bis jetzt ist das nur ein Verdacht, allerdings sind ähnliche Fälle in Asien nachgewiesen. Was Kindern alles angetan werden kann, wissen wir. Dafür müssen wir gar nicht bis nach Ägypten gehen. Auch bei uns werden immer wieder Fälle aufgedeckt, wo Kinder von ihren Eltern schwer misshandelt oder gar zum sexuellen Missbrauch vermietet werden.

Ja, sogar in der Bibel finden sich nicht wenige Geschichten, die davon erzählen, wie Kindern körperlicher oder seelischer Schaden zugefügt wird.

Der alttestamentliche Predigttext für den heutigen Sonntag Judika steht im 1. Buch Mose, Kapitel 22, in den Versen 1 – 13: 

Einige Zeit danach geschah es. Gott stellte Abraham auf die Probe. „Abraham“, rief er. „Ja“, erwiderte Abraham. „Nimm deinen Sohn“, sagte Gott, „deinen einzigen, der dir ans Herz gewachsen ist, den Isaak! Geh mit ihm ins Land Morija auf einen Berg, den ich dir nennen werde, und opfere ihn mir dort als Brandopfer.“ Am nächsten Morgen stand Abraham früh auf. Er spaltete Holz für das Opferfeuer, belud seinen Esel und machte sich mit seinem Sohn auf den Weg zu dem Ort, von dem Gott gesprochen hatte. Auch zwei Knechte nahm er mit. Am dritten Tag erblickte er den Berg in der Ferne. Da sagte er zu den Knechten: „Bleibt hier mit dem Esel! Ich gehe mit dem Jungen dort hinauf, um mich vor Gott niederzuwerfen; dann kommen wir wieder zurück.“ Abraham packte seinem Sohn die Holzscheite auf den Rücken; er selbst nahm das Becken mit glühenden Kohlen und das Messer. So gingen die beiden miteinander. Nach einer Weile sagte Isaak: „Vater!“ – „Ja, mein Sohn?“ „Feuer und Holz haben wir, aber wo ist das Lamm für das Opfer?“ „Gott wird schon für ein Opferlamm sorgen!“, erwiderte der Vater. So gingen die beiden miteinander. Sie kamen zu dem Ort, von dem Gott zu Abraham gesprochen hatte. Auf dem Berg baute Abraham einen Altar und schichtete die Holzscheite auf. Er fesselte Isaak und legte ihn auf den Altar oben auf den Holzstoß. Schon fasste er nach dem Messer, um seinen Sohn zu schlachten, da rief der Engel des Herrn vom Himmel her: „Abraham! Abraham!“ „Ja“, erwiderte er. „Halt ein, tu dem Jungen nichts zuleide! Jetzt weiß ich, dass du Gott gehorchst. Du warst bereit, mir sogar deinen einzigen Sohn zu opfern.“ Als Abraham aufblickte, sah er einen einzelnen Schafbock, der sich mit seinen Hörnern im Gestrüpp verfangen hatte. Er ging hinüber, nahm das Tier und opferte es anstelle seines Sohnes auf dem Altar.

Ihr Lieben!

Mich überkommt beim Lesen dieser Geschichte immer wieder das kalte Grausen! Eine Kollegin, die Schülerinnen und Schülern der 10. Klasse diese Geschichte zur Stellungnahme vorgelegt hat, berichtet, dass die Schülerinnen und Schüler einhellig sagten: „Wenn mir so etwas passiert wäre wie Isaak, dann wäre ich auf der Stelle zu Hause ausgezogen.“

Ich erinnere mich noch daran, dass in meiner Kindheit diese Geschichte im Kindergottesdienst besprochen wurde. Und da wurde Abraham gelobt, weil er so unendlich gehorsam gegenüber Gott war, und er wurde uns als Vorbild im Glauben dargestellt.

Die fatalen Konsequenzen, die sich aus so einem blinden Gehorsam ergeben können, hat der amerikanische Psychologe Stanley Milgram im Rahmen eines bedrückenden Experimentes dokumentiert, das er bezeichnender Weise mit dem Namen „Abraham – ein Versuch“ titulierte: Einige 100 Versuchspersonen fanden sich bei der deutschen Variante dieses Experiments im Münchener Max-Planck-Institut ein, wo sie durch eine fingierte Verlosung die Rolle eines Lehrers übertragen bekamen, während die Person des Schülers in den Versuch eingeweiht war. Unter dem Vorwand, es gehe bei diesem Experiment darum, die Auswirkungen der Bestrafung auf den Lernprozess zu erforschen, wurde die Versuchsperson „Lehrer“ von dem weiß bekittelten Versuchsleiter aufgefordert, den Schüler bei jeder falschen Antwort mit sich steigernden Stromstößen zu bestrafen. Die einfache Aufforderung: „Machen Sie weiter!“ und der Verweis auf die Wissenschaftlichkeit des Experiments reichten aus, die Versuchsperson zur Auslösung eines Stromschlages bis zur tödlichen Gabe von 450 Volt zu veranlassen. Auch die von einem Tonband abgespielten Schmerzens- und Todesschreie des Schülers, der in einem abgetrennten Raume saß, konnten die „Lehrer“ nicht beeindrucken. –

Dieses Experiment, in dem 83 Prozent der deutschen Versuchspersonen den vermeintlich tödlichen Stromstoß gaben, offenbart in erschütternder Weise die verhängnisvollen Zusammenhänge von Befehl und Kadavergehorsam, wie sie vielfach auf deutschem Boden auch zwischen 1933 und 1945 zu beobachten waren.

Ihr Lieben! Trotz dieses eindeutigen Befundes werden viele Ausleger unseres Predigttextes nicht müde, den Gehorsam Abrahams als das Verhalten eines vorbildlich frommen Gottesdieners zu beschreiben.

Die unterschwellige Botschaft, die uns Kindern im Kindergottesdienst damit vermittelt wurde, lautete:

„Ihr seid ohne jeden Schutz abhängig von eurem Vater, und er kann mit euch jederzeit verfahren nach dem Grundsatz der alttestamentlichen Spruchweisheit: ‚Wen Gott liebt, den züchtigt er.’“ 

Wenn in der Auslegungsgeschichte unseres Textes so etwas wie eine Einfühlung in die Handlungsträger der Geschichte versucht wird, dann in der Regel eine Einfühlung in Abraham, wie schwer ihm dieser Weg zum Berg gefallen sein muss. Niemals wird eine Einfühlung in Isaak unternommen. Niemals wird die Frage gestellt, wie das Familienleben wohl aussieht, wenn Isaak wieder von dem Opferstoß losgebunden ist. Nie wird die Frage gestellt, ob Isaak sich mit seinem Vater in seiner Familie je wieder sicher und geborgen fühlen könnte. Nie wird die Frage gestellt, wie Isaak je diesem Gott würde vertrauen können, der wegen eines Tests an seinem Vater ihm diesen Verrat und diese Todesangst zugemutet hat.

Da hilft es wenig, dass Isaak die Situation körperlich überlebt hat. Psychisch hat er sie mit Sicherheit nicht überstanden. Diese Geschichte bleibt nur so lange erträglich, wie der Blickwinkel des Kindes nicht eingenommen wird, wie wir uns mit Abraham und nicht mit Isaak identifizieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass dies nicht die einzige Geschichte vom Opfer eines Kindes in der Bibel ist. Es gibt im Richterbuch auch noch die Geschichte von Jiphtachs Tochter. Und hier erscheint kein Engel, um sie zu retten. Jiphtachs Tochter wird aufgrund eines väterlichen Gelübdes geopfert.

Warum stehen solche Geschichten in der Bibel, und warum müssen wir mit diesen Bildern eines Menschenopfer fordernden Gottes leben?

Nun, wir könnten sagen: Ja, das war früher, und die Geschichte dient dazu zu beschreiben, wie Menschenopfer durch Tieropfer abgelöst wurden. Aber das ist nicht wahr! Bis heute wurden Menschenopfer nicht durch Tieropfer abgelöst. Die Menschenopfer sehen heute zwar etwas anders aus, aber wir haben uns längst an sie gewöhnt. Oft sind wir als Eltern und Erzieher nicht im Stande oder bereit, uns in unsere Kinder einzufühlen, und deshalb kann es auch uns immer wieder passieren, dass wir unsere Kinder opfern, genau wie wir in unserer Kindheit immer wieder den Göttern unserer Eltern geopfert wurden. Diese Opfer sind oft sehr subtil. Und sie sind tief in unsere Seelen eingegraben.

Wir opfern unsere Kinder auf dem Altar des Erfolgs.

Wie viele Eltern quälen ihre Kinder, indem sie von ihnen Schulleistungen erwarten, die zu bringen sie nicht fähig sind! Sie opfern ihre Kinder auf dem Altar des Ansehens. Sie zwingen ihre Kinder so zu werden, dass andere sie um diese beneiden.

Sie betrachten Kinder nicht als eigenständige Personen, sondern als Verlängerungen ihrer eigenen Person, und beauftragen sie mit Aufgaben, an denen sie selbst gescheitert sind. Sie verweigern ihnen Möglichkeiten, weil sie sie selbst nicht hatten.

Und dies alles tun sie nicht etwa, weil sie ihre Kinder nicht lieben.

Sie lieben sie, ja, und sie opfern sie trotzdem wie Abraham, manchmal einfach nur, weil es so üblich ist, und manchmal, weil sie nicht anders können. Und manchmal können sie nicht anders, weil sie selbst als Kinder geopfert wurden oder weil unsere Gesellschaft so organisiert ist, dass immer die Erfüllung von Leistungen wichtiger genommen wird als ein glückliches Leben in und mit der Familie.

Ihr Lieben! Die brutale Geschichte von Isaaks Opferung steht in der Bibel, und sie gehört dort auch hin, weil sie in vielfacher Hinsicht die Wahrheit sagt über die Beziehung zwischen Eltern und Kindern hier und anderswo. Ja, die Beziehung zwischen Kindern und Eltern kann oftmals zu einer unendlichen Quelle von Leid und Zerstörung werden!

Aber wie kommt Gott da ins Spiel?

Gott fordert das Opfer von Abraham. Das ist schrecklich, und mit so einem sadistischen Gott möchte ich nichts zu tun haben.

Aber wir alle wissen, dass uns Gott manchmal auf diese Art und Weise erscheint: Es gibt sie, die furchtbaren Krankheiten, die entsetzlichen Naturkatastrophen, die Konflikte, die den Abgrund der Hölle vor uns aufbrechen lassen.

Aber ich möchte mich mit Martin Luther lieber an den anderen Gott halten, der am Ende der Geschichte in dem Engel erscheint und sagt: „Halt, tu dem Jungen nichts zuleide!“

Ich möchte mich an den Gott halten, der uns Menschen die königliche Freiheit gegeben hat, uns zu entscheiden: für das Böse oder aber dafür, das Böse mit Gutem zu überwinden.

Ich möchte mich an den Gott halten, der den Geschundenen auf diesem Globus in Solidarität nahe ist, der in Jesus Christus auf der Seite der Opfer steht. „Selig sind die Strauchelnden“, schreibt die blinde Theologin und Schriftstellerin Susanne Krahe. „Selig sind die Strauchelnden. Gott weint mit ihnen.“

Ich möchte mich an den Gott halten, der als Mitleidender auch an der Seite seines Sohnes Jesus Christus steht, den er in der Todesstunde am Kreuz nicht allein lässt und den er nach dem Karfreitag für uns alle aus dem Tod ins Leben führt.

Ich möchte mich schließlich an den Gott halten, der auch unsere Kinder vor dem Geopfert-Werden rettet, und der uns zeigt, dass wir unsere Kinder lieben können, ohne sie zu zerstören.

An einen Gott möchte ich glauben, der die Opfer ein für alle Mal beendet.

Und diesen Gott finde ich in den Augen der Kinder, in ihrem Vertrauen und in ihrem Mut und in ihrer Stärke und Verletzlichkeit. Ja, auch diesen Gott, der die Kinder rettet, erleben wir täglich. Wir geben ja nicht nur unsere Störungen an die Kinder weiter, sondern auch unsere Lebensfreude und unsere Liebe. Wir fördern unsere Kinder und eröffnen ihnen Räume und Möglichkeiten, die wir selbst nicht gekannt haben. Wir fördern sie ja auch, indem wir sie behutsam und in Maßen fordern.

Die Geborgenheit Gottes erleben sie in den Armen ihrer Eltern, und auch die Freiheit, die Gott schenkt, wenn es uns Eltern gelingt, sie im richtigen Moment loszulassen.

Und selbst wenn Kinder schlimme Dinge erleben, kann daraus noch eine Stärke entstehen, die mehr ist als Überleben, die Rettung bedeuten kann. Gott rettet unsere Kinder, wie er auch uns als Kinder gerettet hat, und zeigt ihnen und uns Wege zum Leben. In der Taufe beginnt Gott dieses Werk der Liebe, indem er die Eltern und Paten, aber auch uns, seine Gemeinde, ermuntert, unseren Kindern solche Wege zum Leben zu weisen. —

„Deine Kinder sind nicht deine Kinder“, schreibt Khalil Gibran, und damit will ich schließen: 

„Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst.

Sie kommen durch dich, aber nicht von dir, und obwohl sie mit dir sind, gehören sie dir doch nicht.

Du kannst ihnen deine Liebe geben, aber nicht deine Gedanken, denn sie haben ihre eigenen Gedanken.

Du kannst ihrem Körper ein Heim geben, aber nicht ihrer Seele, denn ihre Seele wohnt im Haus von morgen, das du nicht besuchen kannst, nicht einmal in deinen Träumen.

Du kannst versuchen, ihnen gleich zu sein, aber suche nicht, sie dir gleich zu machen. Denn das Leben geht nicht rückwärts und verweilt nicht beim Gestern.

Du bist der Bogen, von dem deine Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden!

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

(Wir lesen, singen, summen oder sprechen:)

Lied: EG 596, 1 – 3 (Kind, du bist uns anvertraut)

1. Kind, du bist uns anvertraut. Wozu werden wir dich bringen? Wenn du deine Wege gehst, wessen Lieder wirst du singen? Welche Worte wirst du sagen und an welches Ziel dich wagen?

2. Kampf und Krieg zerreißt die Welt, einer drückt den andern nieder. Dabei zählen Macht und Geld, Klugheit und gesunde Glieder. Mut und Freiheit, das sind Gaben, die wir bitter nötig haben.

3. Freunde wollen wir dir sein, sollst des Friedens Brücken bauen. Denke nicht, du stehst allein; kannst der Macht der Liebe trauen. Achten dich in Jesu Namen. Er ist unsre Hoffnung. Amen.

Fürbittengebet

Vater im Himmel, wir können nicht leben, wenn nicht einer dem anderen hilft: Wenn ich klein bin, brauche ich die Eltern. Wenn ich traurig bin, brauche ich jemanden, der mich tröstet. Wenn ich krank bin, brauche ich die Ärztin oder den Arzt. Es gibt so vieles, mit dem ich allein nicht fertig werde. Danke, Herr, dass du mir dann einen Menschen schickst, der mir beisteht. Und ich bitte dich: Lass mich selbst auch bereit sein, anderen zu helfen. Denn so willst du es. Und es macht uns froh. Guter Gott, wir staunen darüber, wie Jesus ein Freund war von Ausgestoßenen und Verachteten, für die Zöllner und Sünder und auch für die Kinder. Du willst, dass alle Menschen leben können. Du nimmst uns an als deine Geschöpfe und als deine Kinder. Wir danken dir dafür und wir freuen uns darüber. Gib uns nun selbst den Mut, dass wir andere nicht verachten, sondern dass wir sie ernst nehmen und sie schätzen, weil wir alle dir lieb und wert sind. Lieber Herr, wir wollen uns Mühe geben, so miteinander zu leben, dass wir uns gegenseitig Freude machen und einander helfen. Deshalb gib uns offene Augen, damit wir sehen, wo uns jemand braucht. Lass uns gut hören, wenn uns jemand um Hilfe ruft. Zeige uns, wann wir schnell laufen müssen, damit wir gleich da sind, wenn uns jemand nötig hat. Lass uns auch nicht vergessen, füreinander die Hände zu falten und um deinen Segen zu bitten für alle Menschen und auch für uns. Erbaue uns zu einem Haus aus lebendigen Steinen. Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung; sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen

Gott segne und beschütze uns, wie ein Vater lasse er uns seine Liebe spüren, wie eine Mutter tröste er uns, wie eine gute Freundin oder ein guter Freund halte er zu uns und gehe mit uns auf unserem Weg.

Es segne und behüte uns der allgütige Gott, Mutter wie Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.

(Wir lesen, singen, summen oder sprechen:)

Lied: Und auf Flügeln, wie Adler  

(EGplus 73 / Nicolai-Kirche Lemgo – TV-Gottesdienst vom 19.04.2020 – Abwandlung des ursprünglichen Trautextes )

Refrain:        

Und auf Flügeln, wie Adler, getragen von Gott,

so soll euer Leben nun allezeit sein;

und mit Kräften des Himmels in Freude und Not

sei keiner von euch je allein.

  1. Und Gott segne dein Leben, den Raum und die Zeit

mit viel Freude und Lachen und Sorglosigkeit!

Refrain:

  1. Und Gott schenke euch allen die Kraft zum Verzeihn,

euer Leben, es möge voll Freundlichkeit sein!

Refrain:

  1. Und Gott gebe euch Frieden, das tägliche Brot,

langes Leben und Hilfe in Sorgen und Not!

Refrain:

Und auf Flügeln, wie Adler, getragen von Gott,

so soll euer Leben nun allezeit sein,

und mit Kräften des Himmels in Freude und Not

sei keiner von euch je allein.

[Text (nach Jesaja 40, 31) und Musik: Gerhard Kern, Strube-Verlag]

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